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Italien im MINE WINE

Ein Italiener ohne karierte Tischdecken, Terrakotta-Fliesen, riesige Pfeffermühlen und Kellner in weißen Oberhemden – geht das? Das geht! Und wie! Dafür muss man nur runter vom Ku'damm, rein in die Meinekestraße, ein paar Schritte laufen und schon steht man vorm MINE WINE, dem Charlottenburger Italiener, der ganz ohne Klischees auskommt. Genau dahin haben wir heute die liebe Lola eingeladen. Ein kleiner Agenturausflug mit Marika und Elisa in den Berliner Westen. Als wir den Laden zusammen betreten, ist es dann doch kurz da, das Klischee: ein lang gezogenes „Buona sera“ als Begrüßung. Wir schmunzeln und setzen uns an den angenehm schlicht gedeckten Tisch.


Die Atmosphäre ist locker, von kratzig-steifen Servietten keine Spur, eine Familie feiert Geburtstag mit Kuchen und Geschenken und die Kellner sind trotz Mundschutz herzlich. Wir fühlen uns direkt wohl und auch der Blick auf die Speisekarte stimmt uns mehr als glücklich. Denn: Es ist tatsächlich nur ein Blick. Ein Stück Papier, auf dem genau sieben Vorspeisen und neun Hauptgänge stehen, endlich mal kein endloses Blättern, Räuspern, verstohlener Blick zum Gegenüber, keine „Ja was nimmst denn du?“-Unentschlossenheit.

Ein weißes Restaurant Menü und eine Hand, die eine Blume hält und damit einen Teil des Menüs verdeckt..

Für die klassische italienische Menü-Folge mit antipasto, primo piatto, secondo piatto, dessert reicht der Hunger leider nicht und so entscheiden wir uns für das Thunfisch-Carpaccio mit Tomaten und das Rindfleisch-Tartar als Vorspeise und die Mafalde mit Entenragout und den Oktopus als Hauptgang. „Wenn der Oktopus jetzt so gut schmeckt, wie er klingt, bin ich im siebten Himmel – oder Meer!“, lacht Lola.


Die Auswahl an natürlichen und biologisch-dynamischen Weinen ist ungleich größer – logisch, das MINE ist nicht nur Restaurant, sondern auch Weinbar – und die Entscheidung fällt uns nicht ganz so leicht. Zum Glück ist da der Kellner, der uns gerne berät, schlicht und klar wie das Interior, ohne unnötig poetische Ausschweifungen. So stoßen wir mit einem Glas Pfälzer Grauburgunder an (falls ihr Lola mal eine richtige Freude machen wollt, könnt ihr den hier bestellen), schauen dem Treiben hinter der blau gekachelten Bar zu und fragen uns, ob wir es dieses Jahr wohl noch nach Italien schaffen oder ob wir einfach regelmäßig herkommen. Als Urlaubsersatz quasi. Bei gutem Wetter könnten wir uns ja nach draußen an einen der Tische auf dem Gehweg setzen und an der italienischen Sommerbräune arbeiten.


Eine Frau mit langen braunen Haaren, die zur rechten Seite gekemmt sind. Sie trägt ein beige-goldenes  Top, und hält in der einen Hand ein Strauß Blumen, in der anderen Hand ein Glass Weißwein. Man sieht von ihrem Gesicht nur die untere Hälfte, den Mund.

In diese Tagträumereien hinein kommen die Vorspeisen getragen und holen uns ganz schnell wieder ins Hier und Jetzt. Das Tartar ist zart und perfekt abgeschmeckt, es sind genau richtig viele Kapern, und die Eigelbcreme bremst die Schärfe der Zwiebeln. Auch das Carpaccio ist so, wie es sein soll, es zergeht im Mund und die eingelegte Chili gibt dem Ganzen einen kleinen Kick. Das macht Lust auf mehr und die Teller mit der Pasta und dem Oktopus können gar nicht schnell genug aus der Küche kommen. Die Mafalde sind handgemacht und kräuseln sich so festlich-feierlich um das Ragout, dass wir uns fragen, warum wir eigentlich jemals Spaghetti gegessen haben. Der Oktopus ist mehr Skulptur als Meeresfrucht, eine perfekt angebratene Skulptur, die zum Glück in keiner Sammlung, sondern in unserem Mund landet.

Wir essen, lachen und Lola erzählt uns von ihren Kochversuchen in der heimischen Küche. Sie erzählt uns von dem zu großen Kraken in dem zu kleinen Topf, davon, dass der Deckel nicht mehr richtig schließen wollte, von den Tentakeln, die zäh waren wie Gummi, und von den in Zeitlupe gerollten Cavatelli, die sich im Pastawasser dann in Sekundenschnelle auflösten. An diesen Abenden ging sie dann hungrig ins Bett, grinst Lola.

Ein schwarzer Teller mit einem Oktopus Gericht.
Ein runder Teller mit einem lecker aussehenden Gericht.

An diesem heutigen Abend lassen wir Lola aber nicht hungrig ins Bett! Im Gegenteil: Wir sind alle satt und zufrieden und glücklich, dass das Mine Wine italienische Tradition weiterdenkt und weiterkocht. Auf das einsam-konventionelle Basilikumblatt wird getrost verzichtet, stattdessen serviert man Thunfisch mit Koriander und lässt Italien auf Japan blicken. Hier wird nichts dekonstruiert, geliert oder verkompliziert. Hier konzentriert man sich einfach auf das Wesentliche. Und das gelingt.

Wenn uns also in den nächsten Wochen das Fernweh packen sollte, die Sehnsucht nach dem Golf von Neapel, dem Vesuv diesig am Horizont und die Flugzeuge noch nicht so starten und landen, wie wir es gerne hätten, dann machen wir uns einfach auf ins Mine Wine. Und wenn wir dann von Casarecci, Ravioli und Tortelli schwärmen und unsere Freunde uns fragen: „Wart ihr etwa gerade in Italien?“, sagen wir: „Nein in Charlottenburg!“

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